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12. August - Tag 37 Von Salzwedel nach Lüchow (22 km)

Autor: Eckhard 13.08.2015
grenzpate.de - 12. August - Tag 37
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Heute bin ich über das Naturschutzgebiet nach Lüchow gewandert, was ein schöner Umweg war, der sich gelohnt hat. Die Pause hat mir richtig gut getan, trotzdem merke ich die körperliche Belastung der letzten 5 Wochen deutlich, ähnlich wie der typische Einbruch beim Marathon ab 30 km. Ich könnte jetzt auch gut morgens im Bett bleiben und die Wanderschuhe einmotten.

Aber es geht natürlich weiter, ich kann die Ostsee schon fast riechen. In Salzwedel gab es ein Schild " Lübeck 117 km", natürlich Luftlinie. Der Grenzverkehr ist mehr als doppelt so weit.

Auf meiner Wanderschaft hatte ich ein seltsames Phänomen. Ich bin gewandert und hatte gleichzeitig das Gefühl, ich schaue mir selber beim Wandern zu. Kennt ihr das Gefühl, ich kenne es nur aus Trance...Ich habe an nichts gedacht und nichts gefühlt, habe mich einfach selber beim Wandern beobachtet. Und das ohne Drogen oder Alkohol. Das war ein tolles Erlebnis und Gefühl. Wie es mir bewusst wurde, war es weg und kam auch nicht zurück.

Überhaupt war der Wandertag sehr schön und fast schmerzfrei. Ihr bin gegen 15:30 in Lüchow angekommen und in die Pension "Wendeschänke" gegangen, die von 2 Schwestern betrieben wird. Es ist wirklich toll, was mit finanziell geringem Aufwand gemacht werden kann, wenn Leidenschaft und Herzblut drinsteckt. Hier merkt man das auch wieder.

In der Pension haben auch 3 Männer übernachtet, die in Lüchow einen Auftrag zur Gebäudereinigung hatten. Ich habe mich mit den Männern unterhalten und habe kurz ihre Lebensgeschichte gehört, die mich unglaublich berührt. Ein Mann (45 Jahre) erzählte mir, dass er als Kind regelmäßig von seinem Vater schwer geschlagen wurde. Für jede Kleinigkeit und in der damaligen Zeit hat das Umfeld noch weggeschaut. Er sei halt ein "schwer erzielbaren Kind" sagte der Vater auf Nachfrage zu den Wunden. Damit war die Sache erledigt, da ist unsere Courage heute zum Glück besser. Es waren 4 Geschwister und nur er wurde misshandelt, die Mutter schwieg.

Nach einer weiteren schweren Misshandlung ist er von daheim abgehauen und hat auf der Straße gelebt. Er hat bei Punks und unter Brücken gelebt, ist tagsüber in die Schule gegangen und nebenbei gejobbt. Natürlich wurde er zwischendurch immer wieder aufgegriffen und nach Hause gebracht, wo er aber wieder weglief. Er hat dann fast alle Erfahrungen durch, bis zu Drogen und Selbstmordversuch. Und er ist heute clean, hat einen Job, lebt in Partnerschaft und ist ein toller Mensch.

Wahrscheinlich hätte ich mich sonst nie mit ihm unterhalten, es gibt keine Berührungspunkte. Und ich hätte meine unbewusste Wertung und Schublade gehabt. So bin ich froh, mit ihm gesprochen und 2 Bier getrunken zu haben. Seine Geschichte rührt mich sehr und zeigt mir, wie viel Glück ich mit meinem Entwicklungsumfeld hatte, und es war auch nicht perfekt. Aber was ist schon perfekt?

Jedenfalls finde ich es phänomenal, wie sich Persönlichkeit trotz widriger Umstände entwickeln können. Natürlich ist es schwieriger, aber es ist möglich, wenn man es wirklich will. Und das gilt jeden Tag. Schau nicht wer du warst, schau wer du sein möchtest und gehe los. Hole und nimm dabei jede Unterstützung, die du bekommen kannst. Das scheint der Schlüssel zum persönlichen Glück zu sein.

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die ihr Leben selber anpacken statt auf andere zu warten oder die Umstände verantwortlich zu machen. Und es mag echt ungerecht sein, dass die Umstände und Gegebenheiten bei den Menschen höchst unterschiedlich sind und das gleiche Ziel mit unterschiedlichem Einsatz und Energie erreicht wird. Aber so ist das Leben, vielleicht ist es im nächsten Leben anders.

Abends war ich noch kurz im Stones-Museum, welches in Lüchow ist. Der Betreiber ist ein Vollblut-Fan und Idealist und hat es gegründet. Und das als ehemaliger Banker :-)
Auch hier merkt man das Herzblut, mit dem er dieses Museum betreibt. Sein Spruch an der Außenwand hat mich gleich angesprochen (siehe Foto).

Morgen geht es weiter nach Dannenberg.

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